Als Filmverleiher von Animationsfilmen hat man es wahrlich schwer gegen die grossen Big-Player, die ein Massenpublikum anziehen, bestehen zu können. Diesen Sommer waren und sind dies Ice Age 5: Collision Course, Pets und bald Finding Dory. Gerade mal LAIKA (Coraline, ParaNorman) vermag es mit seinen mittels Stop-Motion zum Leben erweckten Puppen gelingen, den computeranimierten Schwergewichten einigermassen nachzueifern. Man vergleiche (Zahlen Schweiz): Finding Dory, bisher nur in der französischsprechenden Schweiz gestartet, kann bereits jetzt fast 70’000 Eintritte verzeichnen. LAIKAs letztes Abenteuer Die Boxtrolls (2014) kommt auf knapp über 31’000 Besucher, schweizweit, insgesamt. La Tortue Rouge, aktuellster (nichtkommerzieller) Animationsfilm, und bisher nur in der Romandie gestartet, kommt auf fast 3400 Besucher. Wenn die Deutschschweiz mitzieht, was leider oft dann doch nicht der Fall ist, käme man auf knapp über 10 000 Besucher.
Klar, dass die Verleiher bei solchen Aussichten gerade bei einem Animationsfilm aus Japan wie Der Junge und das Biest (Bakemono no ko), der sich klar in die Nische Anime stellt, den Erfolg dann auch „nur“ bei einem Nischenpublikum suchen und vor allem mit einem erfolgreichen Verkauf der DVD und Blu-ray rechnen. In Deutschland wird dies genau so gehandhabt, selbst wenn es sich um einen herzlichen Abenteuerfilm handelt, der Action und Märchen gekonnt zu verbinden weiss. In ausgewählten Kinos wurde der Film darum kurzzeitig auf der grossen Leinwand gezeigt, mit festen Daten. Immerhin, denn in der Schweiz wird man Der Junge und das Biest nur am Fantoche (6.-11. September 2016) im Kino sehen können. Der Heimkino-Release folgt bereits im Vorfeld am 4 .August 2016.
In Japan war Mamoru Hosodas dritte grosse Regiearbeit (SUMMER WARS, AME UND YUKI), wenn man denn nur sein Werk als Anime-Auteur (Regie und Drehbuch) berücksichtigt, der zweiterfolgreichste einheimische Film des Jahres 2015. In einer visuell gelungenen Mischung aus handgezeichneten und computeranimierten Bildern wird eine Geschichte über das Erwachsenwerden, der Suche nach Freundschaft und dem Binden familiärer Verknüpfungen erzählt. Ren, der Junge, verliert durch einen Verkehrsunfall seine Mutter. Weil vom Vater jede Spur fehlt und die Pflegefamilie für den Neunjährigen keine Lösung ist, flüchtet er auf die Strasse und wird unerwartet von einer übernatürlichen Gestalt, dem Biest, aufgegriffen. In der Anderswelt Jutengai, die Welt der Bakemonos, bevölkert von freundlichen Tiermonstern, muss sich der Menschenjunge gegenüber Vorurteilen behaupten. Beim bärenartigen Kumatetsu, ein Schwerkämpfer, dem Grosses bestimmt ist, sein Leben aber einfach nicht auf die Reihe kriegt, beginnt eine Freundschaft, die ihren Anfang bei klassischen Kampfsport-Lektionen hat.
Hosoda bringt nach AME UND YUKI auch in diesem Anime die Protagonisten an die Grenze zweier unterschiedlicher Welten, lässt sie am Leben beider teilhaben und die Gefahren und Risiken spüren. Stets auf der Suche nach der eigenen Identität, werden hier keine Mauern hochgezogen, viel mehr das Zusammenleben durch Akzeptanz des Anderen gefördert, mit der Erkenntnis, dass das Fremde im Kern dem eigenen überraschend gleicht. Aus Sicht der westlichen Sehgewohnheiten gelingt es Hosoda erneut, eine wunderbare Mischung aus bekannten und neuen Elementen zu zaubern. Ein herrlich unterhaltsamer Animationsspass voller Herz.
Bakemono no ko (The Boy and the Biest, Der Junge und das Biest)
Land: Japan
Studio: Studio Chizu
Regie: Mamoru Hosoda
Drehbuch: Mamoru Hosoda
Musik:Masakatsu Takagi
Laufzeit: 119 Minuten
DVD/Blu-ray: 04.08.2016
Verleih: Universum Anime
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