Wrestling und Politiker
Der heute 71-jährige Bill Plympton (Cheatin‘, Idiots and Angels) wagte sich erstmals an eine Kooperation und verwirklichte den animierten Langspielfilm Revengeance mit dem Underground-Cartoonist Jim Lujan. Überzeugt hatten Plympton weniger die überschaubaren Animationskünste von Lujan, der ihm einige Kurzfilme auf DVD überliess, dafür aber dessen Gespür für kantige Charaktere, treffende Dialoge und zielgerichtete Geschichten. Die Arbeitsteilung war schnell gefunden. Multitalent Lujan hat die Grundidee, das Drehbuch, die Charaktere, den Grossteil der Stimmen und die Musik geliefert, während Plympton die Produktion, die Regie, die Animationen und das Storyboard übernommen hat.
Deathface, ehemaliger Wrestling-Star und Anführer einer Biker-Gang, der mittlerweile als Senator seines Amtes waltet, setzt ein Kopfgeld auf die junge Lana aus. Versammelt ist eine Schar bunter Kopfgeldjäger, die Deathface das zurückbringen sollen, was ihm gestohlen wurde. Auch Rod Rosse („the one man posse“), ein schmächtiger aber schlauer Mann mit Halbglatze und Buchhalter-Outfit hat es auf die Belohnung abgesehen. Unterstützt wird er von seiner Mutter, die ihn in technischer Hinsicht unter die Arme (oder zum Taser) greift und selbst in brenzligen Situationen die Ruhe hat, mit ihrem geliebten Kater zu sprechen.
Der Rachethriller Revengeance („I’m pretty sure that’s not a word.“) nimmt seinen Lauf und stürzt sich in die zwielichtigen Kreise eines Los Angeles der 1970er-Jahre. Eine rasante Achterbahnfahrt für Erwachsene zwischen korrupten Politikern, religiösen Fanatikern, Drogensüchtigen und ruchlosen Bikern, im Stile der B-Movies der selben Zeit – genau so grob, aber viel bunter, komischer und optisch durch Plymptons visuelle Innovationskraft gefiltert. Plympton tut es gut, sich ganz auf die Animationsarbeit fokussieren zu können und sich nicht mit inhaltlichen Themen beschäftigen zu müssen, wird dadurch aber auch etwas in seiner sonst überbordenden, zur Poesie erhobenen Animationskunst gebremst, weil er sich irgendwo ans Drehbuch halten muss. Dabei bleibt aber noch immer Platz für perspektivische Verzerrungen wie überlange Beine, wiehernde Motorräder und grosse Staubwolken. In Kombination mit dem rasanten Drehbuch, witzigen Dialogen, schrägen Charakteren und dem coolen Rocksoundtrack von Lujan entstand ein spannender, spassiger, schwarzhumoriger Animationsfilm, der das Beste beider Multitalente vereint.
Ein Entertainer, der sich als Präsident der USA empfiehlt, über Leichen geht und dabei selbst ein dunkles Geheimnis trägt, scheint in der heutigen Zeit überraschend real und selbstverständlich. Der Blick auf die Rockergang, die ihre Gesellschaft innerhalb der Gesellschaft bildet, nach eigenen Regeln lebt, zwischen Ehre und Loyalität und dabei den Sinn für Gerechtigkeit aus den Augen verliert, die spitzhaubigen Sektenmitglieder, die blindlings ihrem Anführer folgen und Kopfgeldjäger, die für Geld alle und jeden verraten. Da kann man so einiges hineininterpretieren, muss man aber nicht. Wenn der Antiheld Rosse aber irgendwann das Richtige tut und den Zuschauern sogar etwas ans Herz wächst, dann hat auch der Film etwas richtig getan – nämlich grossartig unterhalten.
Am Fantoche:
Wann & Wo
Mi., 06.09, 22:45 Kino Trafo
Fr., 08.09, 16:15 Kino Trafo
Sa., 09.09, 22:45 Kino Trafo
REVENGEANCE (2016)
Land: USA
Studio: Plimptoons
Regie: Jim Lujan, Bill Plympton
Drehbuch: Jim Lujan
Schnitt: Sam Welch
Animation: Bill Plympton
Musik: Jim Lujan
Laufzeit: 75 Minuten
Festival: Fantoche Baden
Verleih: E.D. Distribution
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